Wetiko:
Energie, Herrschaft und
menschliche Gesellschaften
Von Martin Kirk
9. Mai 2016
Wir sind im Wandel. Wir verwandeln. Alles.
Wenn sich eine Raupe verpuppt, löst sich ihr Körper in eine Art Urglibber auf, der als Schmetterling neue Gestalt erlangt. Die Strukturprinzipien des gesamten Organismus werden von Grund auf neu gebildet. Er verändert sein Aussehen, seine Fortbewegungsart und seine Ernährungsweise. Er wird im Grunde zu etwas völlig Anderem. Der Schmetterling besteht aus demselben Ausgangsmaterial wie die Raupe, doch dieses Material wird so komplett anders strukturiert, dass das Alte im Neuen kaum wiederzuerkennen ist.


„Die riesige, weiten Prärie, die wunderschönen Hügel und die verschlungenen Flüsse mit ihren Dickicht waren für uns nie ‚wild‘. Nur für die Weißen war die Natur eine ‚Wildnis‘, nur in ihren Augen war sie voll von ‚wilden‘ Tieren und Menschen. In unseren Augen war sie zahm. Die Erde war üppig und reich, sie umgab uns mit den Segnungen des Großen Mysteriums. Erst, als der behaarte Mann aus dem Osten kam und uns und unseren geliebten Familien in seiner brutalen Raserei Unrecht antat, wurde die Welt für uns ‚wild‘.“
Luther Standing Bear, Land of the Spotted Eagle, Bison Books (2006)






Auf der Suche nach Wetiko


Die Verbreitung von Wetiko hat deutliche Spuren hinterlassen. Auch wenn sich keine Pathologie entlang geografischer oder ethnischer Grenzen festmachen lässt, hat der kulturelle Wetiko-Virenstrang, mit dem wir es heute zu tun haben, seine stärksten Wurzeln in Europa. Schließlich waren es europäische Entwicklungen – von der Aufklärung über die industrielle Revolution bis zu Kolonialismus, Imperialismus und Sklaverei –, aus denen die Technologie erwuchs, die eine Ausrichtung der Energie ermöglichte, mit der sich die Wetiko-Kultur um die ganze Welt verbreiten konnte. In dieser Hinsicht sind wir alle Erben und Nachkommen des Wetiko-Kolonialismus.
Wir alle sind inzwischen Träger des Wetiko-Virus.



Betrachten wir das Ganze am einfachen Beispiel eines Föns. Der Wetiko-Logik zufolge ist es besser, einen neuen, leistungsstärkeren Fön mit geringerem Stromverbrauch zu kaufen, der das Haar schneller trocknet und so Zeit spart, die wir für andere Dinge nutzen können. Eine Win-Win-Situation des nachhaltigen Konsums.

