Geldenergie:
Eine persönliche Bilanz und
zukünftige Notwendigkeiten
Von Adam Seitchik
Illustrationen: Alex Andreev
29. Februar 2016















Lässt sich Geldenergie tatsächlich umleiten und verwandeln?
Ich denke schon. Das setzt jedoch verschiedene Dinge voraus.
Was muss sich ändern?
Die Begrenztheit der freien Märkte verstehen
Ökonomen von Adam Smith bis zu den Neoklassikern haben die Magie der freien Märkte beschworen. Doch zu meiner Zeit als Doktorand beschäftigten sich Wirtschaftswissenschaftler vor allem mit dem Versagen, nicht den Erfolgen der Märkte. Zu diesen Marktversagen zählten Armut und Einkommensgefälle ebenso wie die damit zusammenhängenden Probleme wie Kriminalität, Depression und mangelhafte Gesundheit. Marktversagen wie Umweltverschmutzung und ökologische Zerstörung. Marktversagen wie Monopole, Oligopole und übersteigerte Machtkonzentrationen innerhalb von Branchen. Diese Versagen wurden häufig als externe Effekte oder Externalitäten bezeichnet – bedauerliche Lecks eines ansonsten geschlossenen, eleganten Wettbewerbssystems. Perfekter Wettbewerb war das Marktideal. Den externen Auswirkungen dieses perfekten Systems wurde ausnahmslos mit gesetzlichen Eingriffen begegnet.

Diese Marktversagen konnten die Liebe der Ökonomen zu privaten Märkten nicht zerstören. Bis heute nicht. Wirtschaftswissenschaftler lieben die Eleganz, mit der durch Kaufen und Verkaufen Preise festgesetzt und Arbeitskräfte, Rohstoffe, Gebäude und Maschinen so eingesetzt werden, dass ein produktiver Nutzen entsteht. Die moderne Welt wurde mit der Kraft der Märkte aufgebaut, unterstützt durch Gesetze, Wissenschaft, Industrialisierung und Handel.

Die richtige Infrastruktur für die Geldenergie schaffen
Die Ökonomen hatten Recht: Märkte allein können nicht alle Probleme lösen. Marktversagen müssen erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wenn Impact Investing nicht durch eine wirksame Gesetzgebung bestimmt und unterstützt wird, läuft es Gefahr, ein rein utopisches Unterfangen zu werden. Die USA müssen sich den anderen großen Nationen anschließen und eine wirtschaftspolitische Grundlinie verfolgen, die auf progressive Besteuerung, lebensunterhaltssichernde Löhne, allgemeinen und erschwinglichen Zugang zu Gesundheitsversorgung und bezahlbares, sicheres Wohnen abzielt. Es bedarf dringend öffentlicher Impact-Investitionen in die Grundlagenforschung zu erneuerbaren Energien und zur Krankheitsverhütung sowie in energieeffiziente öffentliche Verkehrsmittel. Unternehmen, die „zu groß sind, um zu scheitern“, müssen zerschlagen werden, damit ihr politischer Einfluss und ihre Marktmacht abnehmen und sie ein geringeres Risiko für vergesellschaftete Verluste darstellen. Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass Geldenergie die Politik korrumpiert und verzerrt. Und wir müssen es den anderen Ländern der Welt gleichtun, indem wir einen ehrlichen Preis für den Ausgleich von Treibhausgasemissionen festsetzen. Angesichts unserer Geschichte und aktuellen gesellschaftlichen Probleme müssen wir all dies unter Berücksichtigung von wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit tun. Es macht mir Mut, dass diese so notwendigen Veränderungen in der gegenwärtigen Legislaturperiode der USA zumindest diskutiert werden.
Alte Geldenergie in neue umleiten
Und der letzte Punkt: Das System kann und wird sich nicht aus sich selbst heraus erneuern. Mit dem steigenden Interesse an Impact Investing wird diese Art der Geldanlage zum neuen Geschäftsfeld der Finanzriesen. Diese Versuche, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, haben kaum Einfluss auf die übergeordnete, oligopolistische Struktur der Gewinnmaximierung. Ich habe starke Zweifel daran, dass die Infektion den Wirt verändern wird. Darum müssen wir weiterhin authentische Alternativen außerhalb der dysfunktionalen, aber immer noch vorherrschenden Geld-Infrastruktur fördern und ausbauen.

Weltweit haben knapp 300 institutionelle Investoren mit einem Gesamt-Anlagevermögen von 59 Milliarden US-Dollar die UN Principles for Responsible Investment (Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investment/PRI) unterzeichnet. Die Gruppe der Unterzeichner reicht vom Staatlichen Pensionsfonds Norwegen bis zum New York City Employees Retirement System, dem Versorgungssystem des öffentlichen Dienstes von New York City. Sie alle verpflichten sich, sechs Grundsätze zu befolgen und ihre Finanzmanager anzuweisen, dasselbe zu tun. Die Grundsätze laufen darauf hinaus, dass bei Investitionen eine umfassendere Perspektive berücksichtigt wird, die anerkennt, dass Umweltauswirkungen, gesellschaftliche Faktoren und Unternehmensführung einen wichtigen Einfluss auf die finanziellen Ergebnisse haben. Dies ist zwar besser als nichts, stellt jedoch ein immer noch extrem eingeschränktes Konzept verantwortungsvollen Investierens dar.



Danksagung:
Ich danke meinen großartigen Kollegen, langjährigen Partnern und guten Freunden
Christina Rappich, Eric Poettschacher, Farnum Brown, Jane Settree-Seitchik, Natasha Lamb.
Sie alle haben durch kluge Hinweise und hilfreiche Kommentare zu diesem Essay beigetragen.
Adam Seitchik ist Chief Investment Officer bei Arjuna Capital. Die Investmentspezialisten von Arjuna Capital gelten in den USA als eine der erfahrensten und qualifiziertesten Finanzmarktanalysen für ökologisch und sozial nachhaltiges Investieren; insbesondere bei der Risiken- und Chancenbewertung im aufkeimenden Bereich der ESG (Environmental, Social und Governance) Anlagestrategien.
Alex Andreev lebt in St. Petersburg und arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Zeichner, Maler und Grafikdesigner. Er ist als Art Director in einer Werbeagentur tätig und begleitet als Konzeptkünstler Filmproduktionen und Game-Entwicklungen. Seine Arbeiten können online bei UGallery erworben werden.
Hervorragender Artikel! Macht nachdenklich und wechselwillig!
Ich würde gerne noch mehr dazu erfahren.
Beste Grüße
B. Becker
Ein langer aber lohnenswerter Artikel über die Gedankengänge und Status-Quo Analysen eines Finanzwelt-Insiders.
Ich hoffe sein Optimismus wird von immer mehr Menschen geteilt und macht eine Transformation möglich.