Next Frontier

Energieregime im digitalen Zeitalter


Von Martin A. Ciesielski

Bilder: Dan Dale

12. Januar 2018

 

Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

Rainer Maria Rilke

Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan wagte einmal die These: “First we build the tools, then they build us.” Ich denke, er hatte Recht. Heute noch mehr, als in den Jahren zuvor.

Die Fragen, die wir uns stellen sollten, lauten: bauen wir noch die digitalen Technologien oder bauen sie bereits uns? Gesetzt den Fall, sie haben bereits begonnen, uns direkt oder indirekt zu bearbeiten: Was haben sie im Vorfeld von uns gelernt? Welches Weltbild haben sie von ihren Schöpferinnen und Schöpfern vermittelt bekommen? Nach welchen Parametern erfolgt ihre eigene Weltaneignung?

Wir haben längst den Überblick über das Energieregime unserer Handlungen verloren. Wieviel Strom braucht eine Google-Suche? Was an Ressourcen benötigt diese Tastatur hier, auf der ich gerade schreibe? Wie schnell summieren sich die vielen kleinen Klicks im Online-Shop zu einem Containerschiff auf, das mit tausenden Litern an Dieselverbrennung und -ausstoß Tonnen an Produkten über die Weltmeere fährt und deren Auslieferung anschließend noch LKW-Logistik, Umladungen und Anlieferung bis zur Haustür benötigt? Wir fliegen im absoluten Blindflug – im Zeitalter der allgegenwärtigen Verdatung von allem und jedem. Eine Ironie der Geschichte.

Mehr.

Anscheinend geht es auf dieser Welt um Konsum-, Geld- und Energieflüsse. Wenn wir unsere Maschinen auf etwas hin ausgerichtet haben, dann auf diese drei gigantischen Ströme.

Mit Hilfe dieser Ströme eignet sich der Mensch die Welt an, frisst er sie auf. Tiere und Pflanzen dienen der Ernährung dieser sich immer weiter ausbreitenden und vermehrenden Spezies. Pflanzen wie Baumwolle und andere Ressourcen werden wiederum für Kleidung und viele Milliarden andere, sogenannte Konsumartikel benötigt. Sie werden konsumiert – dem Menschen zugeführt. Was danach geschieht, wie es um die Abfallprodukte und Konsumüberreste steht, interessiert niemanden. Alles, was keinen Mehrwert schafft, wird externalisiert, als Kosten an andere oder die Umwelt abgegeben.

Um diesen Konsum (der ja selbst lediglich eine Form der Energieumwandlung ist) gewährleisten zu können, braucht es andere Energieformen. Energien zur Bewirtschaftung von Tieren, Pflanzen, für Logistik, Strom, Wärme. Diese Energieflüsse supporten den Konsum der Menschen. Sie sorgen für warme Zimmer, für Licht, das Betreiben von Fernsehern, Kühlschränken, Laptops, Tablets, Smartphones.

Diese massiven Energieströme erzeugen wiederum Kosten – aber auch Erträge. Diese Geldströme sind ihrerseits mittlerweile zu einem großen Teil ebenfalls nur noch elektronische Impulse. Buchungen auf digitalen Konten. In Bruchteilen von Sekunden. Sie sind Kurs- und Wertsteigerungen von Anleihen, von Aktien, Derivaten und vielem mehr.

Was lehren wir damit den Maschinen?

Was beginnen uns die Maschinen zu lehren?

Nun, es gibt bei dem Ganzen ja noch einen weiteren Layer: Die Überwachungsströme. Die Logistiken der Warenströme brauchen Tracking, damit man weiß, wo welcher Artikel wann ist. Auch hier wird natürlich mittlerweile mit Prognosen gearbeitet, um besser abschätzen zu können, welche Ressourcen wann und wo benötigt werden – und wie diese Zahlenwerte optimiert werden können. Wie kann ein Mehr an Logistik-Ertrag erreicht werden? Wie kann ein Mehr an Geldströmen erreicht werden? Natürlich durch ein Mehr an Konsum, seien es Produkte des täglichen Bedarfs oder Finanzinnovationen. Doch am Ende werden auch die Produkte an den Finanzmärkten konsumiert: Kauf, Mehrwert Aneignung/Arbitragegeschäft durch Abstoßung/Ausscheidung. Und auch die Finanzmärkte unterliegen der Überwachung. Durch die Wettbewerber, durch Aufsichtsbehörden, durch die Kunden. Warum sollte es also bei dem einfachen Kunden im Netz anders sein? Was klicken wir an? Wie oft? Wo verweilen wir? Welche Werbung bekommen wir zu sehen? Welche Informationen könnten uns aus unserer digitalen Historie heraus interessieren und uns dazu bringen, weiter zu surfen, zu klicken, zu liken und zu posten?

Energieregime.

Wenn es das ist, was die Maschinen von uns lernen, dann haben sie begonnen, die Welt als etwas zu Konsumierendes zu sehen. Es gilt also, die verfügbaren Energieressourcen dieser Welt auf den menschlichen Konsum und die damit einhergehenden Finanzströme hin auszurichten. Das scheint es zu sein, worauf es ankommt. Mehr Geld, größere Finanzströme durch mehr und häufigeren Energie-Konsum, bzw. Energieumwandlung. Energien, die von anderen Lebensformen abgezogen werden, Energien, die auf Art und Weisen freigesetzt werden, die das fragile Gleichgewicht zwischen Atmosphäre, Hydrosphäre und Kryosphäre zerstören. Wie lange trägt dieses komplexe Zusammenspiel uns Menschen noch? Kommen diese kritischen Fragen in den gigantischen IT-Systemen, die wir gerade hochfahren und ausbauen zum Tragen oder verstärken diese lediglich die ohnehin starken Tendenzen zur Selbstverbrennung, wie es der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber nennt, noch mehr?

Womöglich haben wir bald auch noch an einer weiteren Front zu kämpfen: die der künstlichen Intelligenz. Wenn wir den Maschinen gerade direkt und indirekt beibringen, dass es um die Monopolisierung von Energieströmen geht – zum einen für den Menschen und innerhalb der Spezies Mensch wiederum für eine geringe Anzahl von Privilegierten – was werden diese intelligenten Maschinen dann wohl tun?

Werden Sie unser Energieregime unterstützen und uns bei der Aneignung der Ressourcen dienen? Oder werden sie beginnen, uns so zu bearbeiten, dass wir ihrem Energieregime dienen? Die Bilder dazu sind bereits bestens aus dem ersten Film der Matrix-Reihe bekannt: Menschen, die der Energieversorgung der Maschinen dienen. Was spricht dagegen, dass sie dies nicht von uns lernen sollten? Oder bereits gelernt haben?

Womöglich können sie dies nur dann nicht von uns lernen oder wieder verlernen, wenn wir selbst beginnen umzudenken und anders zu handeln. Womöglich haben wir noch ein kleines, kurzes Zeitfenster, um umzulernen. Dies ist womöglich die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte. Schließlich scheint es uns bislang lediglich gelungen zu sein, unsere räuberische und ausbeuterische Lebensweise auszuweiten. Technologisch, geographisch, politisch und militärisch.

Eine andere Lebensweise würde Energieverzicht bedeuten. Abgabe, Rückleitung von Energieflüssen und bewusster Verzicht auf die weitere, ausgeweitete Energieaneignung. Wieso sollten wir dies aber tun?

Ausweitung.

Die Industrieländer erfreuen sich heute eines so großen Wohlstandes, weil sie ihr ökologisches Kapital verbrauchen, das heißt ihr Kapital an nicht erneuerbaren Energiequellen, Fischbeständen, Mutterböden, Wäldern und so weiter. Den Verbrauch an Kapital sollte man nicht fälschlicher Weise als Geldverdienen bezeichnen, merkt der Evolutionsbiologe und Biogeograph Jared Diamond in seinem Klassiker „Kollaps“ an. Doch eben jener Verbrauch des Kapitals macht es möglich, dass die Maschinen bislang weiter laufen. Mit all ihren Prämissen, Logiken, juristischen Rahmenbedingungen, getätigten und geplanten Anlagen und Investitionen. An diesem laufenden System muss sich auch die Digitalisierung orientieren. Ob sie und ihre Apologeten es wollen oder nicht.

Aber auch die funktionale Entwicklung von Software hat ihre nicht-nachhaltigen Eigenlogiken. Es geht um Skalierbarkeiten, unnatürlich schnelle und globale Wachstums- und Implementierungsvorgänge. Es finden Tests in Testumgebungen statt, die zwar die Technosphäre berücksichtigen, nicht aber die potentiellen Gefahren und Auswirkungen auf die Physio- oder Biosphäre. Es geht um Automatisierungen, die einen Energietransfer von der teuren, menschlichen Arbeit und der nahezu kostenlosen Stromerzeugung hin zur Software und den abschreibbaren Digital-Maschinen ermöglichen. Daraus resultiert ein stets rapide zunehmender Bedarf an billigem  und reichlich verfügbarem Strom. Bei jeder App-Installation. Jeder Google-Suche. Jedem YouTube-Film. Netflix allein zeichnet sich für ein Drittel (!) des amerikanischen Downstreams aus. Auch das Erzählen von Geschichten kostet im digitalen Zeitalter zusätzliche Energien. Mehr, als sie womöglich im Stande sind zu geben.

CO2 Neutralität wird groß geschrieben in den großen Tech-Firmen. Die Server-Farmen, die eher als global verteilte Server-Städte bezeichnet werden sollten, sind leider nicht 100% biologisch abbaubar. All die in den Komponenten verbauten Quecksilber, Edelmetalle und Seltenen Erden werden in riesigen, von Jahr zu Jahr zunehmenden Mengen aus dem Boden gesprengt, gegraben und geätzt. Nach einer Nutzungsdauer von durchschnittlich maximal 2 Jahren werden die toxischen Abfälle im Erdreich und in Gewässern gelöscht – dies zumeist durch Subunternehmen der Subunternehmer jener Subunternehmer, die im Sustainability-Report als zertifiziert-zuständige Stelle für das Recycling aufgeführt werden.

Bei Silizium-Solarzellen müssen in größerem Stile Metalle und seltene Erden abgebaut werden. Durch die Herstellung wiederum, werden beträchtliche Mengen Stickstofftrifluorid freigesetzt. Eines der stärksten Treibhausgase der Welt, by the Silicon Way. Doch woher soll der Strom für die Server und die E-Mobilität denn sonst kommen? Und dann braucht es ja auch noch all die mobilen Geräte der Nutzer und Genutzten, ohne die das Datensammeln und die Geschäftsmodelle gar nicht funktionieren würden.

Mit Vollgas sind wir beim Fahrenlassen der Zukunft gelandet. Trotz aller Selbstfahrkünste braucht es leider immer noch Menschen, die in den Fahrzeugen untergebracht werden sollen. Schließlich fahren die selbstfahrenden Autos nicht aufgrund der eigenen Lust am Fahren – noch nicht zumindest.

Für die artgerechte Unterbringung des passiven Fahrpersonals braucht es ein Mindestmaß an Interieur. Wie steht es um die Kunststoffe in den Armaturenbrettern? Das Leder der Autositze? Wie und wo werden sie produziert? Auch Reifen wird es wohl weiterhin geben. Allerdings werden diese wohl noch eine Weile zwischen ihren Herstellungsorten und den Produktionsstätten der Autos mit Containerschiffen um die halbe Welt reisen, bevor sie aus dem 3D-Drucker und dann auf dem hingeteerten Asphalt rollen dürfen.

Wie steht es bei all dem um die digitale Infrastruktur? Diese muss nunmehr parallel neben den Straßen, Autobahnen, Licht- und Ampelsystemen betrieben werden. Was für eine massive Infrastruktur aus Sendern, Empfängern, Sensoren, Mikroprozessoren, Glasfaserkabeln, Metallen und tausenden von Kunststoffen braucht autonomes Fahren eigentlich im Hintergrund? Und: wer zahlt dafür in all den notwendigen Währungen?

Beschleunigen wir ruhig noch ein wenig mehr: Der Bedarf an Lithium für unsere geliebten Batterien und Akkus wird sich bis 2035 verdreifachen. Blei, Lithium und Cobalt werden u.a. im Kongo und China mit Sprengladungen aus den Böden gelöst. Oder von Kinderhand. Oder beides. Manchmal auch gleichzeitig. Irgendwo auf der Welt werden sie dann auf möglichst preiswerte Art und Weise zu Batterien und Akkus, die dann im Anschluss ebenfalls auf riesigen Containerschiffen zu Autofabriken in Deutschland, den USA, China oder Japan transportiert werden. Das alles geschieht, noch bevor ein einziges Auto auch nur einen einzigen Liter Benzin oder Diesel verbrannt hat und bevor auch nur eine einzige App für das Car-Sharing installiert wurde.

Keine App der Welt würde allerdings ohne die wundervollen Glasdisplays unserer Tablets und Smartphones „berührt“ werden können. Für die notwendigen Quarze werden Strände abgebaggert. Seeböden abgesaugt.

Warum nicht die Wüstensände genutzt werden, die wir zunehmend zur Verfügung haben? Da kommt man leider nicht so einfach ran. Es wird dort nämlich getanzt und gefeiert! Der neue Mensch ist nah! In der Wüste von Nevada wird alljährlich das Burning-Man-Festival der Tech-Elite zelebriert. Allerdings ist der Sand dort auch nicht wirklich zu irgendetwas anderem zu gebrauchen. Es braucht eben bestimmte Qualitäten für alles, was auf Sand gebaut ist.

Zukunftswetten.

Wir leben anscheinend das Leben, das die Menschheit leben will. Schließlich müssen wir doch Recht haben, auf diese Art und Weise zu leben, wenn so viele Menschen sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, um über das Mittelmeer zu uns nach Europa zu kommen. Nein, wir können gar nicht falsch liegen.

Wir sind es, die die Spielregeln bestimmen! Fliegen, reisen, konsumieren, einen Beruf, der einen Laptop benötigt. Das Smartphone in der einen und den Bio-Tee oder Kaffee in der anderen.

Das Perverse daran ist leider nur, je mehr Menschen diese Lebensweise praktizieren, umso mehr Menschen wird diese Art zu leben vorenthalten. Abgesehen davon, dass es sich dabei um keine nachhaltige Lebensweise handelt, basiert diese auch noch auf der Externalisierung der Kosten und Schäden.

Spätestens hier können wir anfangen, Wetten abzuschließen und Glaubensbekenntnisse abzulegen. Wir wissen es nicht. Wir können es nicht wissen, ob uns technologische Innovationen wirklich retten werden oder womöglich die Situation nur verschlimmbessern werden. Wir können es zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Wer das behauptet lügt. Oder will sich zumindest einen kleinen Vorteil, einen minimalen Vorsprung im Rattenrennen sichern, will ein paar Milliarden mehr als die anderen haben. Oder Immobilien. Oder Aktien. Am Ende kann die eine Million doch den Unterschied machen, oder?

Doch was hat man von Immobilien, wenn niemand für die Miete zahlen kann? Was von Aktien, deren Kurse in den Keller gehen? Was von Millionen Euro oder Dollar, für die es nichts mehr zu kaufen gibt? Auf was für eine Zukunft wird hier eigentlich gewettet?

Wahrscheinlich auf die, die noch nach jedem Krieg und jeder Katastrophe gefolgt ist. Diejenigen, die Land besaßen, Land auch außerhalb der eigenen Nation, kamen schneller wieder auf die Beine. Zwei, drei Unternehmensbeteiligungen mehr als die Konkurrenz hilft, schneller wieder politischen Einfluss zu gewinnen bzw. diesen zu bewahren. Das sind die Denkschemata und Strategien der Eliten. Unterstützt und begleitet darin von einer Wealth Defense Industry, die damit ihre ganz eigenen Geschäfte betreibt. Und so fließen heute Milliarden an Privatkapital in die vermeintlichen Großtechnologien von morgen. Ohne die riesigen Investitionen gäbe es diese Unternehmen nicht und ohne Facebook, Apple, Amazon und Co. wüssten die Reichen der Reichen und Fondsgesellschaften nicht, wie sie ihre Kapitalien absichern und wachsen lassen können. Sie wüssten nicht, wie sie ihre Ängste angehen sollten, morgen womöglich einer anderen, sozial tiefer stehenden Peer Group anzugehören und von der alten gemieden zu werden. Menschliches, allzu menschliches Verhalten.

New Digital Frontier.

Bislang war die Digital Frontier als eine Fortsetzung der machtbasierten Landnahme definiert, wie sie es auch zu Zeiten der Besiedlung Amerikas der Fall war. Der Mensch trieb sie in den virtuellen Raum hinein, bei gleichzeitig anhaltendem, physischem Ressourcenverbrauch, wie er oben beschrieben wurde. Vielleicht erleben wir allerdings nun den Beginn einer wahrhaft Digitalen Frontier. Eine Frontier, die von den Technologien vorangetrieben wird. Und damit einhergehend eine Gestaltung , Umformung oder gar Auslöschung des Menschen, egal ob reich oder arm.

Es lohnt sich, die Beschreibung der Frontier des Historikers Osterhammel näher anzuschauen, wie er sie in seinem historischen Standardwerk „Die Verwandlung der Welt“ über das 19. Jahrhundert  vornimmt: „Eine Frontier ist ein sich großräumig, also nicht bloß lokal begrenzt manifestierender Typus einer prozesshaften Kontaktsituation, in der auf einem angebbaren Territorium (mindestens) zwei Kollektive unterschiedlicher ethnischer Herkunft und kultureller Orientierung meist unter Anwendung oder Androhung von Gewalt Austauschbeziehungen miteinander unterhalten, die nicht durch eine einheitliche und überwölbende Staats- und Rechtsordnung geregelt werden. Eines dieser Kollektive spielt die Rolle des Invasoren. Das primäre Interesse seiner Mitglieder gilt der Aneignung und Ausbeutung von Land und/oder anderen natürlichen Ressourcen. […]” Auf Seiten der Invasoren werden je nach Bedarf drei Rechtfertigungsmuster einzeln oder in Kombination herangezogen:

• Das Recht des Eroberers, das eventuell vorhandene Besitzrechte der anderen Seite für nichtig erklärt;
• Die schon bei den Puritanern des 17. Jahrhunderts beliebte Doktrin der terra nullius, welche Land, das von Jägern und Sammlern oder von Hirten bevölkert ist, als „herrenlos“, frei akquirierbar und kultivierungsbedürftig betrachtet;
• Die oft erst später als sekundäre Ideologisierung hinzukommende Vorstellung eines zivilisierenden Missionsauftrags gegenüber den „Wilden“.

Sind wir womöglich die neuen Wilden? Kann Technologie wirklich ihr Eigenleben entwickeln? Tut sie es nicht bereits auf eine bestimmte Art und Weise? Richtet sie nicht bereits die Energie- und stofflichen Flüsse auf sich aus? Müssen wir vielleicht gar nicht erst auf künstliche Intelligenz warten, damit unsere Lebenswelten und wir selbst von den Technologien gestaltet werden?

Vor einiger Zeit stieß ich auf einen Satz, der mich an dem Hoffnungsschimmer Rilkes im Eingangszitat dieses Essays zweifeln ließ. Dieser andere Satz von Jeff Vandermeer lautete: „Manche Fragen zerstören dich, wenn du die Antwort nur lange genug vorenthalten bekommst.“

Sind unsere aktuellen Antworten die Richtigen? Sollten wir nach anderen suchen oder auf sie warten?

Doch wie lange können wir noch warten?

Martin A. Ciesielski ist Autor des im Oktober 2017 erschienenen Buches „Digitale Führungskräfteentwicklung“ und Gründer von medienMOSAIK – ein künstlerisch-kreatives Beratungsunternehmen, das sich mit humanistischen Transformationsprozesse im digitalen Zeitalter und der „More-than-human-World“ (David Abram) beschäftigt. Er betreibt angewandte Forschungsarbeit in den Bereichen soziale Technologien, Geld und Finanzmärkte sowie angewandte Improvisation. Martin Ciesielski lebt und arbeitet in Berlin. 

Dan Dale studierte Film und Architektur an der UCL Bartlett School of Architecture. Die Bilder in diesem Essay stammen aus einer Serie, mit der er die Darstellung möglicher digitaler Landschaften erforscht. Dan lebt und arbeitet als Architekt in London. 

2 Comments
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Patrick Ruschmeyer
6 Jahre zuvor

Der Mensch ist ein Getriebener und lernt nur unter Schmerzen und nicht mit Vernunft. Nietzsche hat dies bereits vor mehr als 100 Jahren gut erkannt. Menschliches, allzu menschliches eben.

Das bringt uns nicht weiter und ist eine traurige Wahrheit, aber es lässt uns (leider) auch nicht hoffen, dass wir aufhören werden bevor es zu spät ist.

Positiv betrachtet sind wir aber auch immer erfindungsreich gewesen, bei 0 wieder anzufangen…

Martin Ciesielski
6 Jahre zuvor

Das mit dem von Null anfangen habe ich für eine Weile auch als eine mögliche “Lösung” betrachtet. Wobei das natürlich schon recht brutal daher kommt, da eine Null an dieser Stelle einiges an Toten, Schmerzen und Vernichtung voraus setzen würde – vor allem und zunächst bei den zuerst betroffenen Ländern und Menschen.

Allerdings scheint diesmal selbst eine Null keine Option zu sein – da die klimatischen Veränderungen aufgrund des (durch KI womöglich beschleunigten) Energieregimes quasi einer Selbstverbrennung gleich kommen: https://www.randomhouse.de/Buch/Selbstverbrennung/Hans-Joachim-Schellnhuber/C-Bertelsmann/e481489.rhd

Ich denke außerdem, dass der Mensch auch durch Spiel, Spaß und Freude eine recht steile Lernkurve haben kann – da wären wir dann z.B. bei Henri Bergson oder Michel de Montaignes! Wobei ich Nietzsche ja auch immer recht amüsant finde 😉

To be discussed…